Nach einem kurzen Aufenthalt mit Kaffee und Apfelstrudel im Zentrum von Vaduz fährt uns Simon noch die letzten Kurven hinauf zum Tunnel von Steg. Dort stellen wir das Auto ab und machen uns auf den Weg zur Pfälzerhütte. Wir entdecken einige bemerkenswerte Blumen am Wegrand. Ein Murmeltier hält Ausschau und eine Herde Lamas grast friedlich vereint mit einigen Ziegen. Der Weg ist stellenweise sumpfig und kurz vor dem Ziel hat es etwas Schnee, der uns aber nicht sonderlich stört. Bei der Hütte angekommen freuen wir uns auf ein Glas Bier und das reichhaltige Abendessen. Die erste Etappe ist geschafft und um 10 Uhr halten wir die Nachtruhe ein, damit wir morgen die anstehende, um einiges strengere Etappe schaffen.
Die heutige Etappe hat uns ganz schön gefordert. Zuerst ein steiler Aufstieg im Schnee zur grossen Furgga und dann eine zu lange Strecke, die kaum enden wollte. Trotzdem haben uns die immer neuen Seitentäler im Prättigau mit den saftigen grünen Alpen fasziniert. Ein feines Essen in der Carschina-Hütte hat uns dann für die Strapazen entschädigt.
Das Wetter ist perfekt und diese Etappe verspricht uns tolle Aussichten und auch etwas Erholung. Zuerst geht es hinunter Richtung St. Antönien. Bei Partnun stehen mehrere Reihen Trottis bereit für die Abfahrt. Da wir jedoch bereits nach wenigen Metern den Weg hoch Richtung St. Antönierjoch wählen, lassen wir das mit der Abfahrt. Der Aufstieg ist zwar steil aber die wunderbare Landschaft entschädigt uns dafür. Nach einem kleinen Imbiss auf dem Joch nehmen wir die neunhundert Höhenmeter Abstieg ins österreichische Gargellen unter die Füsse. Worauf wir uns heute besonders freuen, ist nach zwei Übernachtungen in Hütten, ein richtig schönes Hotelzimmer mit warmer Dusche und eigenem WC.
Nach einem ausgiebigen Frühstück im Hotel Alpenrose machten wir uns auf den Weg Richtung Tübingerhütte. Diese Strecke war trotz Aufstieg von 1100 hm nur mit 4.5 Stunden veranschlagt. Daher konnten wir es etwas gemütlicher angehen. Auf dem Vergaldner Joch angekommen, trafen wir zwei Berggänger, die trotz einiger markanten Blessuren infolge eines Sturzes in einer Geröllhalde den Humor nicht verloren hatten. In der Tübingerhütte wurden wir sehr herzlich empfangen und beim Warten auf das Nachtessen spendierte uns die Hüttenwirtin einen Schnaps. Wir vermuteten, damit sie sich einen vor dem Ansturm genehmigen, diesen aber nicht alleine trinken wollte. Am Esstisch sassen dann noch fünf weitere Personen, u.a. Eveline und Christian aus Thüringen, mit denen wir angeregte Gespräche führten. Alles in allem ein sehr schönes Erlebnis und eine zuvorkommende Bewirtung. Was wir dann beim reichhaltigen Frühstückstisch erfuhren, unterstrich die gastfreundliche und unkomplizierte Art der Wirtin: weil sich 14 Jugendliche verlaufen hatten, suchten sie mit der einbrechenden Nacht Zuflucht in der Tübingerhütte. Obwohl die Hütte zum Bersten voll war, bekamen sie um 21.30 ein Nachtessen und durften auf Matratzen in der Gaststube auf dem Boden übernachten.
Nach zwei etwas kürzeren Touren war heute wieder eine lange Strecke mit zwei Übergängen angesagt. Übrigens muss ich mich noch korrigieren. Einigen von euch habe ich gesagt, dass man den 14kg-Rucksack (bei Esther sinds 12kg) nach der dritten Etappe nicht mehr spüre. Das ist absolut falsch. Nach ein paar Stunden schmerzten die Schultern noch fast mehr als am ersten und zweiten Tag. Der erste Übergang über das Hochmadererjoch (2505 müM) war noch relativ gut zu begehen. Der zweite Übergang von der Bielerhöhe (Silvretta-Stausee) ins Jamtal über die Getschner Scharte war dann richtig schwer. Die letzten 200 hm auf 2818 müM mussten wir im steilen Schneefeld aufsteigen. Der Abstieg war wohl schon längere Zeit nicht mehr gepflegt worden und zwang uns zum Teil zum Klettern und dies mit dem schweren Rucksack! Der schmale und unwegsame Pfad entlang der Felsen erlaubte weder eine unbedachte Bewegung noch einen Fehltritt... Bei der Hütte angekommen schmerzten uns die Knie und Blasen an den Füssen. Die Jamtalhütte ist sehr touristisch und hat bei weitem nicht den Charme anderer Hütten. Also keine Empfehlung von uns.
Beim Frühstück fragte uns die Wirtin der Hütte, wo wir heute hin wollen. Sie wisse nicht, ob heute noch ein Gewitter aufziehe. Wir sehen das etwas lockerer und machen uns so bald als möglich auf den Weg. Der Aufstieg zum Futschöl Pass (2768 müM) ist trotz leichtem Regen (und mit Schirm bewaffnet) gut zu machen. Aber auch hier hat es einige Geröllhalden und Schneefelder, die wir durchqueren müssen. Auf der Schweizer Seite ist der Abstieg gut gepflegt und wir kommen trotz Esthers Knieproblemen gut voran. Auch die Sonne zeigt sich wieder. Trotzdem geradezu genüsslichem Marsch über saftig grüne Alpwege entscheiden wir uns bei der Alp Valmala, nur bis Ftan zu gehen und von dort aus in das Postauto nach Scuol zu steigen. Unsere Füsse und Knie sollen sich etwas erholen können, bevors weiter geht. Die Strecke bis nach Ftan lohnt sich; auf dem Höhenweg hat man wunderbare Aussicht ins Tal und zu den mächtigen Bergen des Unterengadins. Auf dem Dorfplatz in Ftan wird Esther von einer älteren Frau in romanischer Sprache angesprochen und erfährt dabei einiges über die soeben fotografierte Skulptur und warum sie nun dringend zum 'Cuafför' muss. Um die Zeit bis zum Einchecken in der Unterkunft zu überbrücken, genehmigen wir uns in Scuol ein kühles Bier.
Gestern legten wir einen Entspannungstag mit Thermalbad, Sauna und einem feinen Essen in unterhaltsamer Gesellschaft ein. Ab heute muss ich leider auf Esther als angenehme Begleitung verzichten. Da mir die geplante Tour mit 26 km doch etwas lang schien, bestieg ich nach der Verabschiedung von Esther den Bus nach S-charl. Den Streckenabschnitt von Scuol nach S-charl kenne ich teilweise schon von früher. Allerdings muss ich nun nach Ankunft in Taufers feststellen, dass das Ganze nun doch etwas zu einfach wurde. Der Weg bis zum S-charl-Joch ist gut ausgebaut und nur etwa 3 km über das Joch waren als alpiner Wanderweg zu bezeichnen. Richtung Taufers führt ebenfalls ein gut ausgebauter Feldweg. Der leichte Regen hat mich dann doch noch gezwungen, den Schirm auszuspannen. Bereits beim ersten Hotel konnte ich ein kleines Zimmer mit HP mieten. Das Dorf scheint mir jedoch recht trostlos, mit der stark befahrenen Durchgangsstrasse, welche praktisch keinen Platz für ein Trottoir lässt.
Das Wetter versprach heute Morgen eine entspannte Tour, wenn nicht die vielen geplanten Höhenmeter gewesen wären. Ausnahmsweise ging es zuerst einmal über den offiziellen Zoll, statt wie sonst meist über die grüne Grenze. Dem Zöllner schien das aber ziemlich egal zu sein. Ausser einem kurzen Zunicken, beachtete er mich kaum. Bald kam der erste Abstieg in einer attraktiven Schlucht mit eindrücklichem Wasserfall. Später war ich dann dankbar für meine GPS-Uhr, weil ich ohne diese mit Sicherheit mehrmals die Abzweigung verpasst hätte. Die Strecke war oft gar nicht markiert. Die Uhr zeigte mir zuverlässig, wenn ich nur wenige Meter falsch gelaufen war und vibrierte sofort. Dann konnte ich anhand des Pfeils auf dem Display sehen, in welche Richtung es weiter geht. Um dies etwas zu verdeutlichen habe ich davon ein paar Bilder in die Galerie eingefügt. Meist war der Aufstieg so, wie so ein Aufstieg halt ist: schweisstreibend und anstrengend. Aber das letzte Stück so ab 2600 müM musste ich das Tempo dann deutlich reduzieren, um noch genug Luft zu bekommen. Trotzdem bin ich guten Mutes auf dem Stilfser Joch angekommen. Die Frau an der Rezeption meinte auf meine Unentschlossenheit betreffend Halbpension oder à la carte nur, das könne ich auch am Tisch noch entscheiden, wir seien schliesslich in Italien und da sei man unkompliziert.
Wer genau hinschaut, hat vielleicht bemerkt, dass die Höhen und Distanzen nicht genau übereinstimmen. Dies liegt an den Abweichungen des GPS, welches die Höhe meist etwa 50m zu tief angibt, was mit der Unförmigkeit der Erde zu tun hat. Die Distanzen werden bei kleinen Abweichungen seitwärts aufsummiert und werden deshalb auch etwas grösser als die effektve Strecke.
In der Nacht hat es zwar etwas geregnet, aber am Morgen waren auf dem Stilfser Joch die Wolken wieder weg. Ich konnte bereits um 6.30 Uhr das Frühstück einnehmen und um 8.30 Uhr ging es dann los hinunter zum Pass Umbrail. Nach dem Aufstieg zum Bocchetta di Forcola, welcher anscheinend im 2. Weltkrieg eine Verteidigungslinie der italienischen gegen die österreichische Armee war, was man auch an den halb zerfallenen Schützengräben sehen konnte, begann der lange aber nicht sehr steile Abstieg Richtung Arnoga. Dort angekommen entschloss ich mich, noch etwa 5 km weiter zum Rifugio Federico in Dosdè zu gehen. Dank dem gemächlichen Abstieg schaffte ich heute fast 40 km. Dies verkürzt die morgige Strecke und gibt mir etwas mehr Zeit und Flexibilität bei der Suche nach der nächsten Unterkunft. Dieses Refugio ist sehr zu empfehlen, obwohl die Verständigung etwas schwierig ist (Italienisch). Glücklicherweise war eine Gruppe Kinder da, welche ein wenig mit Englisch aushelfen konnten.
Mit der Aussicht heute etwa 5km weniger zu gehen als geplant, bin ich nach dem Frühstück losgezogen. Das Val Viola entpuppt sich im oberen Teil als kleines Paradies mit seinen Seen und dem prächtigen Bergbach. Da mich das Geräusch der Bergbäche, wenn das Wasser über die Steine rauscht, immer wieder fasziniert, habe ich davon ein kurzes Video aufgenommen. Ich hoffe das Gefühl, welches mich erfasst wenn ich durstig den Berg hochsteige und dieses Geräusch höre, damit einigen von euch vermitteln zu können. (Lautstärke bitte ganz aufdrehen.) Auf dem Pass da Val Viola kommt dann ein grandioser Blick auf das Bernina Massiv hinzu. Auf dem Abstieg ins Val Poschiavo komme ich dann wieder an unzähligen Seen vorbei. Diesmal aber umgeben von wunderschönen Lärchen- und Arvenwäldern.
Oberhalb Poschiavo werde ich dann plötzlich von zwei Hirtenhunden angebellt. Diese bleiben aber so wie sie es wahrscheinlich gelernt haben immer schön hinter dem Zaun. Sie verfolgen mich noch eine Weile, bis ich ausserhalb der Reichweite ihrer Herde bin.
Poschiavo selbst ist ein sehenswertes Dorf mit Kirchen und kleinen Gassen.
Gestern hatte ich die Idee, aus den drei Etappen bis Maloja zwei zu machen. Esther hat mir von zu Hause aus geholfen, die Touren neu zu berechnen. Hätte ich gewusst, was da alles auf mich zukommt, ich weiss nicht, ob ich das dann auch so gemacht hätte. Aber nun ist es geschafft, und ich sitze nach einer warmen Dusche vor einem grossen kühlen Bier. Anscheinend sind die italienischen Wege auf der Webseite des Schweizer Wanderland nicht ganz auf dem aktuellsten Stand. So habe ich mich dreimal verlaufen und musste entweder umkehren oder einen Umweg in Kauf nehmen. Zu guter Letzt zog über dem Bernina-Massiv auch noch ein kräftiges Gewitter auf. Ich konnte mich gerade noch in der Talstation einer Sesselbahn in Sicherheit bringen. Im App von MeteoSchweiz sah ich dann, dass das Ganze relativ schnell weiter ziehen würde. Schon nach etwa 30 Min. war das Gewitter vorbei und der Regen liess ebenfalls nach. So hüllte ich den Rucksack in dessen Regenschutz, zog mir die Regenjacke an und weiter ging's. Vom Ort und der traumhaften Aussicht auf den Lago Palü bin ich derart begeistert, dass ich die Strapazen schon fast wieder vergessen habe.
Nach einem feinen Essen und gut ausgeruht freute ich mich heute an dem sonnigen Wetter. Die geplanten Wege schienen durchwegs zu passen und so kam ich gut voran. Beim Aufstieg, etwa 200 HM vor dem Pass überholte ich eine schwer bepackte Familie mit einem etwa zwei bis drei Jahre altem Kind. Ich fragte sie noch, ob es gehe. Sie schienen auch noch nicht ganz so erschöpft, wie es zu erwarten gewesen wäre. Als ich dann auf der schweizer Seite Abstieg, fragte ich mich jedoch ob das gut gehen kann. Dort wurde es nämlich richtig steil und Stellenweise ging es durch Felsblöcke, die selbst für mich nicht immer ganz einfach zu begehen waren. Mit einem kleinen Kind auf dem Rücken oder an der Hand konnte ich mir das erst recht nicht vorstellen. Da es auf dem Pass noch andere Gruppen hatte welche dort Pause machten, war ich etwas beruhigt, da bei einem Problem der Familie noch jemand zum Helfen da war. Am Lägh da Cavloc genehmigte ich mir dann ein Brötchen und etwas Wasser. Auf dem gemütlichen Bank direkt am See legte ich mich noch eine Weile hin und schlief auch kurz ein. Nach dem Powernap wieder munter, ging ich noch den Rest des Weges bis Maloja.
Vorläufig bin ich nun genug die Täler entlang und die Berge rauf und runter gegangen. Ich vermisse mein eigenes Bett und ich möchte nicht jeden Tag eine neue Unterkunft suchen. In diesen 12 Wandertagen bin ich bereits 273.9 km zu Fuss über die Berge gegangen und dabei 13364 m auf- und 12924 m abgestiegen. Viele schöne Orte habe ich dabei entdeckt und einige interessante Gespräche geführt. Nun freue ich mich auf mein Zuhause und auf Esther die mich, nach dem sie von Scuol aus nach Hause gereist ist, täglich aus der Ferne unterstützt hat.
Ich weiss noch nicht, ob und wann ich diesen Weg weiter gehen werde. Auf jedenfall hat es Spass gemacht und das Wandern ist mir sicher nicht verleidet.
Danke allen, die meine Berichte mitverfolgt oder sogar mit Kommentaren bereichert haben.